Zeit mit Sarajevo
Es ging schnell. Meine gelbe Baseballmütze, von
meinem Vater gestohlen, fiel in den Toaster und die
Glühdrähte schmorten ein großes Loch in den
Tunnelbandzug. Das beschleunigte den Verfall der
fast 20 Jahre alten Mütze (Sommerspiele Anfrage
Sarajevo?) und ich verlor sie bald. Jedes Mal wenn
ich sie getragen habe, ging ich eine spezielle
Verbindung mit meinem Vater ein. Baseballmützen
zu kaufen, ist komplizierter als Kleidung für
Rumpf, Arme und Beine. Alte sind besser als Neue.
Als im Mai die Sonne wieder stärker schien,
machte ich mich auf die Suche nach einer. Auf
eBay, nur gebraucht, gibt's weniger. Ging in
mehrere Kaufhäuser, not ready for the Woolworth
bling. Die aus dem Bastelladen hatten schöne
Farben, waren aber zu klein.
Mein Second Hand Laden an der Ecke:
“Haben sie Baseball-Mützen da? Ich brauche eine
Kopfbedeckung.”
“Warten sie mal einen Moment ich glaube wir
hatten da zwei.”
Die ältere Verkäuferin, Typ Berliner Schnauze mit
Ehrenamt, schaut sich um findet nichts, wundert
sich. Sie unterhält sich mit ihrem Herrenbesuch,
auch etwas um die 55 Jahre alt. Eine Frau mit
Mobiltelefon am Ohr kommt herein und schaut sich
die Ware auf den Kleiderbügeln an.
“Il me dit, elle me fait...”
Ich beginne in der Seidenschal-Kiste zu suchen.
“Da sind nur Schals drin.”
“Naja vielleicht doch eine dazwischen. Ah hier.
Wollmütze.”
Zu klein
“Tu sais il me dit...”
Ich gebe auf und mache soziale Geräusche mit dem
Herrenbesuch.
“Il me dit...” scannt Blusen. Das Ehrenamt beginnt
nun, selbst in den Seidenschals zu wühlen.
“Tu sais il me dit...”
Kein T-Shirt für mich hier. Sie ist jetzt bis zu den
Schultern im Seidenschalbecken.
”Je me dis...” beugt sich über die Verkäuferin in
die hinter ihr stehende Gürtel- und Taschen-Tonne.
“Jetzt reicht's mir mit Ihnen. Können Sie nicht
warten. Ich hab hier keinen Platz. Und wenn sie
telefonieren müssen die ganze Zeit, dann gehen Sie
raus.
“Je me dis...”, die Dunkelhäutige, geht.
“Immer diese Familie. Ich find' das wahnsinnig
anstrengend. Gut, dass sie draußen ist.”
Schabende Zeit.
Eine Schulter im Seidenschalgitterfass.
“Ah hier ist eine. Wußt ich's doch.”
“Danke”. Die Mütze ist ein bisschen hässlich,
dunkelblau/dunkelgrün kariert, Golf- Logo, und
auch ein dicker Chemostoff, der edel macht, es aber
nicht schafft.
“Die ist mir zu klein. Ich krieg die kaum auf den
Kopf.”
Herrenbesuch weiß wie man sie größer macht. Sie
passt, nun noch den Schirm verbiegen um das
Stirndrücken zu verringern.
“Jetzt passt sie. Ein Problem weniger. Was kostet
die?”
“1€ bitte.”
Es ist 30°C. Wir sind Schwimmen am
Karpfenteich. Miranda schwimmt und schwimmt
und schwimmt. Kamilla und ich stehen wadentief
im Wasser in der Sonne zum Trocknen vor den
fashionable Französinnen, teilweise oben ohne, sich
küssend, Amazonen.
Ich setze meine neue Mütze
auf. Immer noch zu heiß.
Let's go to Halbschatten. Miranda kommt, ganz
grinsendes Wesen, aus dem Wasser. Legt sich hin.
Eine Frau in Kopftuch und Kleid badet mit ihrer 3-
jährigen Tochter.
“I am swimming today for the third time.”
“It is so great that it is right next to your studio.
You can go for morning swims.”
“Yes. That is what I did today.”
Miranda schaut auf meine Mütze.
“Have you been there?”
“Where?”
“The golf course. St. Andrews in Scotland.”
Ich schaue auf mein Mütze.
“Ah no.”
“I think it is the one that Donald Trump owns.”
“No, I haven't been there.”
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